Im Hin­spiel des Uefa-Pokal­fi­nals 1980 trifft der gerade 22-jäh­rige Harald Karger zum 1:0 und ver­letzt sich später schwer. Karger, dem der Bou­le­vard auf­grund seiner Kopf­ball­stärke den Spitz­namen »Schädel-Harry« ver­passt hatte und der zu diesem Zeit­punkt als kom­mender Natio­nal­spieler gilt, muss seine Kar­riere nach nur 28 Spielen beenden. Dabei hatte ihn die Ein­tracht aus Frank­furt erst vor der Saison aus dem Ama­teur­fuß­ball in die Bun­des­liga geholt. Wir haben mit Ihm gespro­chen.

Harald Karger, 1980 standen sich Ein­tracht Frank­furt und Glad­bach im Finale des Uefa-Pokals gegen­über. Sie haben sich im Hin­spiel das Kreuz­band gerissen und mussten Ihre Kar­riere nach nur 28 Bun­des­liga-Spielen beenden. Würden Sie den Uefa-Pokal-Sieg den­noch als den Höhe­punkt Ihrer Kar­riere bezeichnen? 

Es war eher der Anfang vom Ende. Der Höhe­punkt war es nicht, weil ich eben schon im Hin­spiel ver­letzt aus­ge­schieden bin. Das zweite Spiel habe ich ja schon nur noch als ver­letzter Spieler erlebt. Als die mit dem Pokal ihre Ehren­runde liefen, stand ich nur am Rand. Alle sind vor Freude aus­ge­flippt, ich habe nur zuge­schaut. Ich hatte zwar alle Spiele mit­ge­macht, aber beim ent­schei­denden Spiel war ich eben nicht dabei. Mein per­sön­li­cher Höhe­punkt war das Halb­fi­nal­rück­spiel gegen Bayern Mün­chen, in dem ich uns mit zwei Toren ins Finale geschossen habe. 

Wie kam es zu der Ver­let­zung? 

Es gab einen Frei­stoß für Glad­bach, und ich bin mit nach hinten in den Straf­raum. Die Flanke kam, ich wollte hoch zum Kopf­ball, bin dann aber in ein Loch getreten und ein­fach umge­knickt. Dann waren die Bänder gerissen. Ich habe sofort gemerkt, dass etwas kaputt gegangen ist, da ging gar nichts mehr, das waren Wahn­sinns­schmerzen. 

Wann wussten Sie, was genau pas­siert war? 

Die Dia­gnose Kreuz­band­riss bekam ich erst sechs Wochen später, weil ich mich relativ gut gefühlt habe und meine Mus­ku­latur anschei­nend so stark war, dass sie das Ganze zusam­men­ge­halten hat. Wir waren dann in Korea für den Cha Bum, da sollte ich wieder spielen, habe mich aber sofort wieder ver­letzt. Da hat der Doktor gemeint, dass da etwas nicht stimmt und dass sie das Knie auf­ma­chen müssen. 

Ein­tracht Frank­furt hatte Sie erst vor der Saison vom FC Burg­solms in die Bun­des­liga geholt. Nach einem Jahr war wieder Schluss. Konnten Sie diese Ach­ter­bahn­fahrt über­haupt ver­ar­beiten? 

So einen Auf­stieg erlebst du wie in Trance. Das kann man kaum erklären. Plötz­lich stand ich mit Höl­zen­bein oder Jürgen Gra­bowski in einer Mann­schaft. Drei Wochen vorher habe ich mir von denen noch Auto­gramme geholt. Das war so ein Hoch­ge­fühl, dass ich mich Tag und Nacht dar­über gefreut habe. Ich konnte das gar nicht glauben. Das war eine ganz andere Welt. Der Absturz war des­halb nachher natür­lich unglaub­lich. Auch, weil er erst in Raten und dann ganz gewaltig kam. Es war immer mein Traum, Profi zu werden. Und dann habe ich plötz­lich ein­fach nicht mehr dazu gehört. Das war damals kaum zu ver­kraften. 

Das klingt, als wären Sie anfäng­lich noch davon aus­ge­gangen, wei­terhin Bun­des­liga spielen zu können. 

Nach meiner ersten Ope­ra­tion habe ich an ein Kar­rie­re­ende keinen Gedanken ver­schwendet, das Knie hielt ja wieder. Im Abschieds­spiel von Gra­bowski habe ich noch drei Tore gemacht und auch gegen Utrecht im Euro­pa­pokal getroffen. Da hatte ich eigent­lich schon wieder volles Ver­trauen in mein Knie. 

Wann haben Sie gewusst, dass eine wei­tere Kar­riere in der Bun­des­liga illu­so­risch ist? 

Das weiß ich noch ganz genau. Wir haben in Dort­mund gespielt. Ich war eigent­lich wieder fit. Kurz vor Schluss hat mich der Trainer zum Warm­ma­chen geschickt und noch beim Warm­laufen bin ich mit dem Knie nach innen weg geknickt. Da habe ich gemerkt, dass ich wahr­schein­lich doch nicht wieder auf die Beine komme. Ich habe es immer wieder ver­sucht, aber am Ende hat das Knie eben doch nicht gehalten. 

Sie waren damals 22 Jahre alt, haben in Ihrer ersten und ein­zigen kom­pletten Bun­des­liga-Saison neun Tore gemacht und wurden auf­grund Ihrer Kopf­ball­stärke bald nur noch »Schädel-Harry« genannt. Was wäre ohne die Ver­let­zung drin gewesen? 

Viele haben natür­lich gesagt, dass ich Natio­nal­spieler geworden wäre. Ich war ja so etwas wie der Hru­besch von Frank­furt. Viel­leicht hätte das auch geklappt. Aber das ist natür­lich hypo­the­tisch. 

Gibt es noch Momente, in denen Sie weh­mütig zurück bli­cken und ein wütendes Zwie­ge­spräch mit Ihrem Knie führen? 

Das gab es früher. Die Ver­let­zung hat lange an mir genagt, aber ich habe mich da selbst raus­ge­zogen. Wenn ich das nicht geschafft hätte, könnte ich heute nicht das Leben führen, das ich führe. Obwohl ich nur eine rich­tige Bun­des­liga-Saison gespielt habe, kann ich heute immer noch vom Fuß­ball leben. Und der Name »Schädel-Harry« hat mir dabei extrem geholfen.

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